Win-Win-Effekte für musikalische Entwicklung und körperliche Balance
Die Idee, den Körper in den Übeprozess differenzierter einzubeziehen, löst typischerweise drei Reaktionen aus:
- „Das klingt vielversprechend!“
- „Ich kann mir darunter nichts vorstellen.“
- „Das braucht man nicht!“
Alle drei Perspektiven sind berechtigt und äußerst hilfreich. Und genau deshalb lohnt es sich, sie ernst zu nehmen. In diesem Artikel zeigen wir, warum jede dieser Haltungen einen wertvollen Beitrag liefert und wie ein erweitertes Körperverständnis das musikalische Üben effizienter, gesünder und musikalisch reichhaltiger machen kann. Lese hier mehr über mögliche Win-Win-Effekte.
Eine unserer frühesten Beobachtungen war tatsächlich ein solches „vielversprechendes Erlebnis“. Irgendwann Mitte/Ende der 2000er experimentierten wir – ohne Konzept, dafür mit umso mehr Neugier – mit luftgefüllten Kissen. Wir standen darauf, probierten herum und bemerkten: Der Klang veränderte sich. Die Konzentration wirkte klarer. Der Körper entspannter. Die Haltung freier. Irgendetwas geschah – und zwar sofort. Aus diesen ersten Beobachtungen ist heute, rund 20 Jahre später, ein ganzer Themenbereich entstanden, den wir noch längst nicht vollständig ausgeschöpft haben.
Wir hatten uns vor einigen Jahren eines gefragt: Was können wir dem Körper Gutes tun, damit er uns beim Spielen besser unterstützt? Ja – das klingt eigennützig und das darf es auch, denn letztlich wollen wir alle besser werden: wir selbst, unsere Schüler:innen, unsere Ensembles. Aus dieser Motivation heraus sind verschiedene Ideen entstanden, die wir auf unserer Website detailliert beschreiben. Allen ist eines gemeinsam: Sie sollen zeitgleich mit dem Üben am Instrument umsetzbar sein und – wenn möglich – eine direkte Verbindung zu Spieltechnik, musikalischer Gestaltung und/oder Haltungs- und Bewegungsökonomie herstellen. Erst dann entsteht die gewünschte Win-Win-Situation: besseres Üben in kürzerer Zeit, bei gleichzeitiger körperlicher Entlastung.
Unsere aktuelle Einteilung:
- Mit dem Körper bewusste Aktivitäten ausüben - sie also für den Übefortschritt nutzbar machen
- Den Körper evozieren – also Bedingungen schaffen, unter denen er gar nicht anders kann, als funktionaler zu arbeiten
- Dem Körper etwas Gutes tun - also eine Art Wohlbefinden ermöglichen
Die erwähnten luftgefüllten Kissen gehören übrigens zum Bereich Evozieren.
Viele Musikerinnen und Pädagoginnen können sich unter „Körperintegration“ zunächst wenig vorstellen oder denken gleich an Techniken wie Alexandertechnik oder Feldenkrais. Kein Wunder: Der Begriff ist weit, vieles klingt esoterisch, und im Unterrichtsalltag und im eigenen Kalender fehlt oft die Zeit für Experimente. Doch genau hier entsteht eine Chance: Wer nicht weiß, was gemeint ist, hat die Freiheit, unvoreingenommen auszuprobieren. Statt abstrakter Theorie bieten unsere Ansätze konkrete, sofort umsetzbare Mini-Experimente, die in nahezu allen Instrumentalgruppen und im Gesang funktionieren. Gerade Skepsis wird damit zum Türöffner: Wenn man etwas noch nicht genau versteht, aber im gleichen Moment einen klanglichen oder körperlichen Unterschied hört bzw. spürt, kann Neugier geweckt werden. Viele uns bisher bekannten Anwender:innen sind genau über diesen Weg aufmerksam geworden: durch unmittelbare Erfahrungen.
Es stimmt: Es gibt großartige Musiker:innen, die ohne spezielle körperorientierte Methoden Weltklasse erreicht haben. Diese Aussage darf man ernst nehmen – und positiv nutzen. Denn die Frage lautet nicht: „Geht es ohne?“ Sie lautet: „Geht es mit weniger Aufwand, gesünder oder nachhaltiger?“ In der heutigen musikalischen Realität stehen wir vor Herausforderungen, die frühere Generationen so nicht kannten, z.B.:
- hohe Belastungen im Berufsalltag (unterrichten + proben + reisen + mediale Präsenz),
- tendenziell wenig Bewegung,
- steigende Anforderungen an Präzision und Flexibilität,
- häufigere körperliche Beschwerden und Überlastungen,
- weniger Übezeit bei oftmals steigendem Anspruch,
- Druck in vielen Facetten
Viele der großartigen Musiker:innen, auf die wir blicken, haben ihren Körper übrigens intuitiv hervorragend integriert, welche Worte oder Methoden sie dafür nutzten, ist oft schlichtweg nicht bekannt. Der entscheidende Punkt: Körperintegration ersetzt nichts. Sie optimiert. Sie macht das, was wir ohnehin tun, wirksamer – und das meist in Echtzeit, direkt beim Spielen. Selbst wer überzeugt ist, dass es „auch ohne geht“, profitiert oft sofort, weil die Ideen
- keine zusätzliche Übezeit benötigen,
- technisch unmittelbar helfen,
- präventiv wirken und
- sich problemlos in jeden Unterricht und in das eigene Üben integrieren lassen.
Wir betrachten diese Reaktion nicht als Ablehnung, sondern als praktische Frage nach der Relevanz, die wir uns auch selbst immer wieder stellen.
Der Versuch eines Fazits
Ob neugierig, skeptisch oder sicher, dass es auch ohne geht: Jede dieser Perspektiven ist für uns wertvoll. Unser Ziel ist nicht, Überzeugungen zu verändern, sondern erlebbare Alternativen zu bieten, die das Üben effizienter und den Körper sowie unser musikalisches Ohr und unseren musikalischen Anspruch zufriedener machen. Wir laden herzlich ein, die Ideen auszuprobieren, mit Instrument, mit den Schüler:innen, im Ensemble oder beim Singen. Die eigene Erfahrung entscheidet.