Entwicklung und Vorläufer der Fussrollentechnik

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Die Fussrollentechnik für Musiker Fussrollentechnik

Die sogenannte Fussrollentechnik (FRT) hat eine längere Entstehungsgeschichte, die retrospektiv gut nachvollziehbar ist. Ihre Wurzeln reichen bis in die späten 1990er-Jahre zurück: Schon damals arbeitete ich mit Studierenden und Aufnahmeprüfungskandidat:innen an der Idee, musikalische Phrasierungsbögen körperlich erfahrbar zu machen, insbesondere durch gezielte Gehbewegungen. Ziel war es dabei, die Bewegung der Beine und Füße in einen kontinuierlichen, ununterbrochenen Fluss zu bringen, um dadurch eine innere Stabilität in der musikalischen Gestaltung zu fördern. Gerade der Schrittwechsel stellte sich dabei als große Herausforderung dar, war aber auch ein wertvoller Indikator: Je unterbrechungsfreier die Bewegung, war, desto stimmiger war meist auch die musikalische Umsetzung. Die Spielenden erhielten ein direktes Feedback über die Kohärenz ihrer Vorstellung und deren klangliche Umsetzung.

- Ein Rückblick von Erdmute Maria Hohage, der Erfinderin der Fussrollentechnik -

Neue Impulse ab 2010

Ein zweiter, entscheidender Entwicklungsschritt begann etwa 2010 – zunächst experimentell: Gemeinsam mit Angelika begannen wir, Objekte unter der Fusssohle einzusetzen, um rhythmische Präzision physisch zu verankern. Wir probten ein rhythmisch komplexes Duo und arbeiteten mit einfachen Mitteln, etwa mit Bällen unter den Füßen, die wir im Metrum bewegten. Diese spielerische Herangehensweise war nicht nur effektiv, sondern überraschend erkenntnisreich.

Etwa vier Jahre später kamen erstmals Massagerollen zum Einsatz – und mit ihnen eine neue Differenzierung: Zwischen vertikaler Rhythmusstabilität und horizontaler Stabilität im Sinne musikalischer Phrasierung. So fand das Thema der körperlich unterstützten Phrasierung wieder Eingang in meinen Unterricht, ohne dass mir die Kontinuität zu den früheren Experimenten zunächst vollständig bewusst war.

Vom Experiment zur Technik

Obwohl es nie das Ziel war, daraus eine „Technik“ im engeren Sinne zu entwickeln, wurde der gezielte Einsatz der Füße in den folgenden Jahren zunehmend integrativer Bestandteil meines Unterrichts, und zwar über verschiedene Themenfelder hinweg: von Vibrato-Fragen bis hin zur musikalischen Klanggestaltung. Selbst jüngste Schüler:innen lernen seit Langem selbstverständlich, ihre Füße bewusst einzusetzen. Fortgeschrittene und Studierende entwickeln auf dieser Basis zunehmend eigene Anwendungen und Variationen, was mich besonders freut, da ich meinen Unterricht stets als Impuls verstehe, nicht als bloße Vermittlung von Methoden.

Systematisierung in vier Schritte

Im Zuge der jüngsten Entwicklungsphase stand schließlich die Frage im Raum, ob die Technik auch in systematisierter Form für alle Instrumentalist:innen und Sänger:innen nutzbar gemacht werden könnte. Gemeinsam mit Angelika haben wir sämtliche bisherigen Ansätze auf den Prüfstand gestellt, neue Versuche mit verschiedenen Instrumentengruppen, Kammermusikensembles und Orchestern unternommen und schließlich eine strukturierte Vorgehensweise entwickelt. Angelikas entscheidender Impuls war es, die komplexen Zusammenhänge in nur vier klar definierte Schritte zu überführen. Das Ergebnis ist ein praxisnaher Mini-Guide, der Musiker:innen aller Erfahrungsstufen einen niederschwelligen Zugang zur Arbeit mit der Fussrollentechnik ermöglicht:

  1. Verinnerlichung der vertikalen Rhythmusstabilität
  2. Verfeinerung der vertikalen Fussbewegung im Metrum
  3. Überführung in horizontale Stabilität (Phrasenrichtung)
  4. Musikalische Phrasierung auf Basis der körperlich fundierten Bewegung

Diese Schritte bauen idealerweise aufeinander auf, lassen sich aber auch flexibel variieren oder modular einsetzen, je nach musikalischem Kontext und individueller Zielsetzung. Als Beispielinstrument haben wir das Klavier gewählt, da hier (wie auch bei hohen Streichinstrumenten) eine besonders hohe Komplexität in der Koordination von Klang, Rhythmus und Bewegung zu bewältigen ist und die technischen Grundlagen vielen vertraut sind.

Ein vorerst letztes Aha-Erlebnis

Während der Arbeit an den Aufnahmen zum Mini-Guide hatte ich ein letztes prägendes Aha-Erlebnis: Der vierte Schritt, die gezielte Entwicklung einer musikalischen Phrase funktioniert nur dann zuverlässig, wenn für die zu übende Passage noch keine etablierte Vorstellung besteht oder wenn die bestehende Vorstellung noch nicht überzeugend umgesetzt wurde. Diese Erkenntnis hat mein Verständnis für den Einsatz der Technik nochmals vertieft.

Ich wünsche allen Musiker:innen, die sich auf diesen Zugang einlassen, viel Neugier, Freude und Erfolg beim Ausprobieren. Die Fussrollentechnik eröffnet nicht nur neue Wege zur rhythmischen Stabilität und Phrasierung, sondern stärkt auch die Verbindung zwischen Körper, Klang und künstlerischer Intention.

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